Mittwoch, 16. Dezember 2020
Über kurz und lang
Heute morgen haben wir, Lilli und ich, beim Frühstück über unsere Lektüre und Podcasts gesprochen.

Sie beschäftigt sich sehr mit Hartmut Rosa, Resonanz und mit Schnittflächen zwischen Religion, Philosophie und Soziologie. Bei mir geht es ja meist mehr ums Schreiben an sich. Ich bin immer auf der Suche nach Themen, aus denen ich einen Text machen könnte. Bei dessen Lektüre man nicht einschläft.

Wir sprachen dann auch über kurze und lange Gedanken, aus denen man kurze oder längere Texte machen kann. Mein Themenspektrum ist da eher breit gefächert und hauptsächlich auf Alltägliches denn auf theoretische Philosophie fokussiert.

Mit Vergnügen lasse ich meine Gedanken schweifen, wenn ich alleine mit dem Auto durch Frankreich fahre. Ich habe da einige Strecken im Elsass, die ich sehr gut kenne und auf denen ich immer wieder gerne fahre. Sei es, weil mir die Landschaft gefällt oder weil es am Rhein entlang geht oder über Landstrassen, auf denen kaum Verkehr herrscht.

Manchmal reicht schon irgendein Satz aus dem Autoradio, der meinen Gedanken eine neue Richtung gibt, in die ich sie schweifen lassen kann. Ohne mich über wildgewordene Automobilisten ärgern zu müssen. Die dort eher selten sind. Sind vielleicht bissle chaotisch, aber nicht so aggressiv wie bei uns.

Meine Gedanken sind mir aber manchmal doch zu kurz. Wenn sie zum Beispiel nur aus einem oder zwei Sätzen bestehen. Oder grade mal eine halbe Seite füllen. Wenn es dann doch eine ganze Seite wird, freue ich mich. Die lese ich auch später gerne nochmal. Weil mir schon das Schreiben so viel gibt und weil ich dabei immer das Gefühl habe, meinen Gedanken nicht nur freien Lauf zu lassen, sondern ihnen auch gleichzeitig eine mehr oder weniger feste Form gegeben zu haben.

Wenn ich auch nur ein bisschen Resonanz beim Leser erzeuge, dann freue ich mich schon. Ein längeres Werk würde ich ja nie mehr in Angriff nehmen. Erstens, weil ich sowieso keine geeignete Idee habe. Zweitens, weil ich bei zunehmender Freizeit immer älter werde, langfristige Planungen eh nicht mehr unbedingt naheliegend sind. Und drittens, weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Zeit, in der die Leute lange Romane und dicke Wälzer lesen, vorbei ist.

In der kürze liegt die Würze? Nicht unbedingt. Zu jedem Aphorismus gibt es einen Gegenaphorismus, der genau das Gegenteil besagt. Martin Walser: "Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr."

Und einzeln dahingeworfene Sätze, ohne Vorlauf und ohne Nachlauf, werden zu leicht überflogen, vergessen oder falsch interpretiert.

Was ich damit sagen will? Mit einem einzigen Satz könnte ich das jetzt nicht zusammenfassen.

Und das ist auch gut so.

https://www.ardaudiothek.de/wissen/auswege-aus-der-beschleunigungsgesellschaft/53948336

https://trittenheim.wordpress.com/2020/12/15/ruchloser-diebstahl-in-der-heiligen-nacht/

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