Donnerstag, 20. Januar 2022
Dietrix und Schreibmanopoulos
Als ich mit der Lektüre der französischen Originalversion des neuen Asterix begann, stiess ich gleich auf der ersten Seite auf Wörter, die ich nicht kannte.

Es waren keine normalen französischen Wörter, sondern vor allem erfundene Namen. Die jedoch Assoziationen hervorrufen und in der deutschen Übersetzung manchmal ganz witzige Anspielungen enthalten sollten.

So hiess zum Beispiel ? gleich auf der ersten Seite ? Cäsars Geograph ?Terrinconus?. Ein Wort, das eine lateinische Endung hat und nach ?Unbekannte Länder? klingt. Wie soll man sowas ins Deutsche übertragen?

In der Version unseres geschätzten Kult-Übersetzers Klaus Jöken, dessen Name fast schon den Hinweis auf seine Lust am Joke enthält, heisst er nun ?Globulus?. Aha.

Wenn man einen Witz erklären muss, ist er ja eigentlich nicht mehr lustig. Aber dieser erfundene Name, der als Übersetzung eines französischen Wortspiels die Wörter Globus und Globuli verwendet, ist nur eins der zahlreichen Beispiele für die Kreativität, Fabulier- und Sprachkunst eines literarischen Sprachmittlers.

Und doch passt das alles irgendwie nicht zusammen, ist tatsächlich nur beliebiges Wortspiel. Anspielungen auf alles Mögliche. Nichts Bestimmtes.

Weiter im Text ? ich bin über die erste Seite (noch?) nicht hinausgekommen! ? gibt es dann einen Griechen, dessen Name eine Anspielung auf Aristeas von Prokonnesos sein soll. Muss man den kennen? Muss man nicht.

In ?Astérix et le Griffon? heisst er Trodéxès de Collagène. Klingt irgendwie ? aber eben nur irgendwie ? nach Kollagen, einem Protein. In der deutschen Version ?Asterix und der Greif? erhält der Mann dann den Namen Rigoros von Migraene.

Kollagen, Rigoros, Migraene ? was hat das alles mit einem Griechen zu tun, der zu allem Unfug auch noch die Gesichtszüge von Michel Houellebecq trägt?

Es gibt dann wohl auch noch eine Trump-Anspielung mit einer Figur, die Gerüchte verbreitet und Fakenius heisst. Sprich ?Fake News?.

Und angeblich als Corona-Anspielung ruft auf Seite 36 jemand in einer Prügelei ?Abstand halten!?

Ich denke, ich werde von der weiteren Lektüre erst mal Abstand nehmen.



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Freitag, 14. Mai 2021
Von Brillen und Berlinern
Heute war ich beim Optiker, um mir zwei neue Gleitsichtbrillen zu bestellen. Denn nur eine, das geht nicht. Man muss immer zwei bestellen, zum Preis von einer.

Das ist wie mit den Berlinern. Wenn ich meiner Frau und mir zwei Berliner mitbringen will, sagt die Verkäuferin gerne: "Die sind heute im Angebot, drei zum Preis von zwei." Den Umsonst-Berliner kann ich dann ja schlecht ablehnen.

Einer muss dann halt immer zwei essen, denn den Umsonstigen kann man ja nicht in der Mitte durchschneiden. Die Füllung ist nie genau in der Mitte. Wahrscheinlich würde sie trotzdem auslaufen und so den ganzen Berliner-Effekt praktisch zunichte machen.

Sie zeigte mir acht Stück zur Auswahl, die Optikerin. Also Brillen, nicht Berliner. Ich nahm die schönste und probierte sie aus. Am liebsten hätte ich sie gleich mitgenommen, die Brille. Eine andere, die ich probierte, stand mir nicht und ich legte sie gleich wieder zurück.

"Probieren Sie doch diese", riet mir die Dame, die ein sehr schönes Gesicht hatte. Das sah ich, trotz der Maske. Und eine angenehme Stimme hatte sie, mit der sie freundlich und effizient mit mir sprach.

Sie reichte sie mir, ich setzte sie auf, schaute in den Spiegel und sagte: "Damit sehe ich ja aus wie ein Apotheker." - "Nein", sagte sie, "das gibt Ihnen ein junges und sportliches Aussehen."

Die kennt sich aus, dachte ich so bei mir.

Dann sollte ich ihr noch in ihr eines und dann das andere Auge schauen. Und dann nochmal mit meinen beiden in ihre beiden, glaube ich. Es war jedenfalls eine gelungene Veranstaltung.

Demnächst bräuchte ich dann noch eine neue Sonnenbrille. Oder zwei.

Aber nicht beide auf einmal.

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Mittwoch, 16. Dezember 2020
Über kurz und lang
Heute morgen haben wir, Lilli und ich, beim Frühstück über unsere Lektüre und Podcasts gesprochen.

Sie beschäftigt sich sehr mit Hartmut Rosa, Resonanz und mit Schnittflächen zwischen Religion, Philosophie und Soziologie. Bei mir geht es ja meist mehr ums Schreiben an sich. Ich bin immer auf der Suche nach Themen, aus denen ich einen Text machen könnte. Bei dessen Lektüre man nicht einschläft.

Wir sprachen dann auch über kurze und lange Gedanken, aus denen man kurze oder längere Texte machen kann. Mein Themenspektrum ist da eher breit gefächert und hauptsächlich auf Alltägliches denn auf theoretische Philosophie fokussiert.

Mit Vergnügen lasse ich meine Gedanken schweifen, wenn ich alleine mit dem Auto durch Frankreich fahre. Ich habe da einige Strecken im Elsass, die ich sehr gut kenne und auf denen ich immer wieder gerne fahre. Sei es, weil mir die Landschaft gefällt oder weil es am Rhein entlang geht oder über Landstrassen, auf denen kaum Verkehr herrscht.

Manchmal reicht schon irgendein Satz aus dem Autoradio, der meinen Gedanken eine neue Richtung gibt, in die ich sie schweifen lassen kann. Ohne mich über wildgewordene Automobilisten ärgern zu müssen. Die dort eher selten sind. Sind vielleicht bissle chaotisch, aber nicht so aggressiv wie bei uns.

Meine Gedanken sind mir aber manchmal doch zu kurz. Wenn sie zum Beispiel nur aus einem oder zwei Sätzen bestehen. Oder grade mal eine halbe Seite füllen. Wenn es dann doch eine ganze Seite wird, freue ich mich. Die lese ich auch später gerne nochmal. Weil mir schon das Schreiben so viel gibt und weil ich dabei immer das Gefühl habe, meinen Gedanken nicht nur freien Lauf zu lassen, sondern ihnen auch gleichzeitig eine mehr oder weniger feste Form gegeben zu haben.

Wenn ich auch nur ein bisschen Resonanz beim Leser erzeuge, dann freue ich mich schon. Ein längeres Werk würde ich ja nie mehr in Angriff nehmen. Erstens, weil ich sowieso keine geeignete Idee habe. Zweitens, weil ich bei zunehmender Freizeit immer älter werde, langfristige Planungen eh nicht mehr unbedingt naheliegend sind. Und drittens, weil ich der festen Überzeugung bin, dass die Zeit, in der die Leute lange Romane und dicke Wälzer lesen, vorbei ist.

In der kürze liegt die Würze? Nicht unbedingt. Zu jedem Aphorismus gibt es einen Gegenaphorismus, der genau das Gegenteil besagt. Martin Walser: "Nichts ist ohne sein Gegenteil wahr."

Und einzeln dahingeworfene Sätze, ohne Vorlauf und ohne Nachlauf, werden zu leicht überflogen, vergessen oder falsch interpretiert.

Was ich damit sagen will? Mit einem einzigen Satz könnte ich das jetzt nicht zusammenfassen.

Und das ist auch gut so.

https://www.ardaudiothek.de/wissen/auswege-aus-der-beschleunigungsgesellschaft/53948336

https://trittenheim.wordpress.com/2020/12/15/ruchloser-diebstahl-in-der-heiligen-nacht/

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Freitag, 20. November 2020
Wie sieht's aus?
Mein Augenoptiker gab ja neulich die Parole aus: "Eine Brille kaufen - die zweite geschenkt!" Das hörte sich ganz gut an.

Zwar hatte ich schon eine Weitsichtbrille und eine zum Nahsehen, die ich beide dank zunehmender Gewöhnung ans Gleitsehen allerdings gar nicht mehr brauchte. Eine Reserve-Gleitsichtbrille konnte also nicht schaden. Zusammen mit der geschenkten hätte ich dann ja drei. Ich kam ins Grübeln.

Im Auto ist Gleitsicht auf jeden Fall angezeigt. Man kann dann sowohl den Tacho und den Navi lesen als auch weiter entfernt befindliche Verkehrsschilder. Denen musste ich mich vorher immer so weit nähern, bis ich entweder schon eine Abzweigung verpasst oder noch gar nicht endgültig entschieden hatte, wohin ich eigentlich fahren wollte.

Aber ich will jetzt nicht abschweifen. Nah- und Fernbrille bleiben also in der Schublade, den Gebrauch der drei Gleitsichtbrillen muss ich noch vernünftig einteilen. Damit sie sich in etwa gleich abnutzen. Und da ist eben die Frage: Soll ich jeden Tag eine andere verwenden oder je nach Situation entscheiden und sie entsprechend wechseln?

Denn sie eignen sich ja für alles gleichermassen. Ich kann mit ihnen lesen, fernsehen, Auto fahren, Glühbirnen auswechseln, Zähne putzen, Spülmaschine ausräumen, einkaufen und das Kleingedruckte auf den Etiketten mit den Inhaltsstoffen entziffern.

Und wie wäre es mit Wochentagen? Also die mit dem blauen Gestell freitags, die mit dem orangenen samstags und die schwarze an Sonn- und Feiertagen? Blanker Unsinn!

Soll ich mich mit der gesamten Problematik überhaupt beschäftigen? Ich sollte mich vielleicht wieder wichtigeren Themen widmen. Mich ernsthaft mit den amerikanischen Präsidenten beschäftigen und die verschiedenen Kurven zum Verlauf der Pandemie verfolgen.

Dafür fehlt mir aber eine ganz andere Brille.

Die rosarote.

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Donnerstag, 9. April 2020
Geschäft ist Geschäft
Als Gutenachtgeschichte habe ich meiner Frau gestern Abend den von mir erlebten Zusammenhang zwischen dem Atomium in Brüssel und dem grössten Klo der Welt in Hornberg im Schwarzwald erzählt.

Mein Freund und Kunde Michel aus meiner belgischen Übersetzer- und Dolmetscherzeit hatte mit beiden zu tun. Seine Firma hat die Aussenverkleidungen der silbern glänzenden Kugeln des Atomiums erneuert und im Werk Duravit, für das der Designer Philippe Starck das grösste Klo der Welt geschaffen hat, eine Fassadentäfelung aus Spezialmaterial geliefert und angebracht.

Mit Michel fuhr ich auch öfters als Dolmetscher mit zu Fulgurit in Dettelbach bei Würzburg und zu Eternit in Berlin. Wir assen und logierten immer in den besten Hotels und einmal speisten wir auch im Restaurant in der obersten Atomium Kugel, zu dem ein Aufzug 100 Meter in die Höhe führt. Die anderen Kugeln sind durch Rolltreppen miteinander verbunden.

Heute mittag zeigte ich meiner Frau dann auf dem Handy ein paar Bilder vom grössten WC der Welt, vom Atomium und von dem Designer Philippe Starck, der vor allem Stühle und Sitzmöbel entworfen hat.
"Der war wohl sehr an Stuhlgang interessiert", kalauerte sie, worauf wir beide spontan lachen mussten. "Das grosse Geschäft", wollte ich erläutern, machen die vor allem mit Indien."


Doch schon nach den ersten drei Worten dieses Satzes mussten wir in erneutes Lachen ausbrechen.


Ausgewählte Einträge:
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Sonntag, 22. März 2020
Null Komma nichts
Im Gegensatz zum Dolmetscher ist der Übersetzer ja ein Stubenhocker par excellence. Da ich beruflich die meisten Tage mit Texten daheim im Büro verbracht habe, fällt mir das #WirBleibenZuhause nicht so schwer wie vielen anderen.

Zufällig ergab es sich, dass ich kürzlich auf einen Roman aufmerksam wurde, den ich bisher erst zur Hälfte gelesen habe und dessen Hauptperson ein Übersetzer ist. Das Buch ist wie für mich geschrieben. Ich gehe geradezu in ihm auf.

Von Pascal Mercier, hinter dessen Pseudonym sich der Schweizer Philosoph Peter Bieri verbirgt, hatte ich schon den "Nachtzug nach Lissabon" gelesen und den gleichnamigen Film mit Martina Gedeck und Jeremy Irons genossen.

"Ich sehe in den Nachrichten all das Elend. Bilder von Armut, Dürre, Flucht und Vertreibung. Menschen, die Wasser bräuchten und nicht Worte. Zehntausende, Hunderttausende. Ich gehe zum Schreibtisch und frage mich: Macht ihr Elend das, was ich hier tue, kleiner? Vielleicht sogar bedeutungslos? Kann man im Ernst darüber nachdenken, ob man ein Komma oder ein Semikolon setzen soll, wenn andere nicht wissen, wo sie schlafen können, ohne zu erfrieren? Und dann denke ich über das Komma nach." (Pascal Mercier, Das Gewicht der Worte)

Ministerpräsident Winfried Kretschmann hat aus Solidarität mit unseren französischen Nachbarn angeboten, Schwerstkranke aus dem Elsass, wo nicht mehr genügend Beatmungsgeräte zur Verfügung stehen, zur Behandlung in Baden-Württemberg aufzunehmen.

Pascal Mercier, Das Gewicht der Worte

Contrairement à l'interprète, le traducteur est un travailleur à domicile par excellence. Comme j'ai passé la plupart de mes journées professionnelles à travailler dans mon bureau chez moi sur des textes, rester à la maison n'est pas aussi difficile pour moi que pour beaucoup d'autres.

Par hasard, je suis récemment tombé sur un roman que je n'ai lu qu'à moitié jusqu'à présent et dont le personnage principal est un traducteur. Le livre, c'est comme si on l'avait écrit pour moi. J'y suis presque absorbé.

J'avais déjà lu "Nachtzug nach Lissabon" de Pascal Mercier (Train de nuit pour Lisbonne) et j'ai apprécié le film du même nom avec Martina Gedeck et Jeremy Irons.

"Je vois toute cette misère aux nouvelles. Des images de pauvreté, de sécheresse, de fuite et d'expulsion. Des gens qui avaient besoin d'eau et non de mots. Des dizaines de milliers, des centaines de milliers.Je vais à mon bureau et je me demande: votre misère rend-elle moins important ce que je fais ici ? Peut-être même insignifiante? Pouvez-vous sérieusement penser à mettre une virgule ou un point-virgule lorsque les autres ne savent pas où ils peuvent dormir sans mourir de froid ? Et puis je pense à la virgule". (Pascal Mercier, Le poids des mots)

Par solidarité avec nos voisins français, le ministre-président Winfried Kretschmann a proposé d'admettre des patients gravement malades d'Alsace, où il n'y a plus assez de respirateurs disponibles, pour les soigner dans le Bade-Wurtemberg.

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Mittwoch, 29. Januar 2020
Beredtes Verschweigen
An Hand eines kurzen Eintrags möchte ich einmal darstellen, welche Informationen zwischen den Zeilen er enthalten, welche Gedanken des Autors er widerspiegeln und welche verschiedenen Reaktionen beim Leser er verursachen kann. Die Menge der Infos kann kleiner, grösser und anders sein als der Text rein sprachlich hergibt. Menschliche Sprache kann - im Gegensatz zur tierischen und anderen Kommunikationsformen - auch die Ergänzung oder gar das Gegenteil von Behauptungen dessen enthalten, was sie - eben nur augenscheinlich - zum Ausdruck bringt.

Über das Thema "Planung von drei Kurzurlauben" hätte ich auch schon früher oder erst später oder gar überhaupt nicht schreiben können oder wollen. Ich schrieb den Eintrag jedoch an einem Tag, als gerade eine grössere Panikmache in allen Medien wegen dem Corona-Virus in China stattfand. Nach dem Motto "Wenn morgen die Welt unterginge, würde ich heute noch ein Apfelbäumchen pflanzen" wollte ich allerdings keinen Baum pflanzen, noch glaubte ich an einen bevorstehenden Weltuntergang. Der hätte mich durchaus davon abgehalten, seien wir doch mal ehrlich. Ich wollte nur als kleines Gegengewicht zu dem Thema etwas Positives schreiben, wo es um private Zukunftsplanung für ein ganzes Jahr ging.

Auch der letzte Satz des Eintrags ("Und als Rentner hat man ja Zeit zum Planen“) spielte scherzhaft auf die Tatsache an, dass man als Rentner und Älterwerdender naturgegebenermassen nicht mehr so ganz arg weit vorausplanen kann.

Der Satz "Besuche bei meinen Kindern und Kindeskindern muss ich dann irgendwie auch noch wochenendweise einschieben" kann interessante und uninteressante Informationen enthalten und/oder Fragen und Gedanken beim Leser auslösen. Sind ihm seine Geschwister und Schwiegerfamilie wichtiger als seine Enkel? Nur wer frühere Einträge von mir kennt, weiss, dass ich regelmässig nach Belgien fahre und nicht aus eigenem Erleben wissen kann, was man von mir als Opa erwarten können muss. Es wurde mir ja nicht vorgelebt. In dem Alter, in dem ich jetzt bin, war mein Vater schon tot und seine drei Enkelkinder gerade erst geboren.

Jeder Satz ist Bestandteil einer Geschichte. Es muss beim Leser nicht die gleiche sein wie beim Autor.

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